Der Stadtrat hat in seiner Sitzung vom 14. Oktober der Billigung und öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanes Nr. 65 „Neubau Ärztehaus und Erweiterung vorhandener Handelsstandort Graßdorfer Straße” zugestimmt.
Konkret geht es um den Netto-Markt an der Graßdorfer Straße, der sich vergrößern möchte. Zudem soll auf der brach liegenden Fläche neben der Rettungswache ein neues, dreigeschossiges Ärztehaus mit einer Nutzfläche von 2400 Quadratmetern entstehen. Neben Ärzten könnte auch ein Sanitätshaus und eine Physiotherapie einziehen. Im Juni machte der Stadtrat bereits mit dem Aufstellungsbeschluss den Weg frei für den Bebauungsplan, nun folgte einstimmig die Billigung und der Beschluss zur öffentlichen Auslegung vom 10. November bis 17. Dezember. Zeitgleich werden auch die Behörden eingebunden. Für die städtische Gesellschaft IBV wird federführend das Ingenieurbüro Hubert Beyer mit der Planung tätig. Das Unternehmen hat schon das Ärztehaus mit Kindergarten in Bogumils Garten geplant.
Nach der Errichtung des Neubaus soll die alte Poliklinik abgerissen werden, auf deren Gelände Parkflächen entstehen. Diese seien baurechtlich nötig, um den Neubau errichten zu können. Zudem sei das Gebäude in einem energetisch und damit ökologisch nicht mehr vertretbaren Zustand, ein Umbau wäre zu teuer und auch wegen aktueller Anforderungen an den Brandschutz und räumlichen Notwendigkeiten für Ärzte nicht umsetzbar, so IBV-Geschäftsführer Gunnar Simon.
Über den Abriss hat der Stadtrat mit seiner Entscheidung am vergangenen Donnerstag nicht abgestimmt. Dennoch regt sich bereits seit der Veröffentlichung des Vorhabens im Sommer Widerstand gegen den Abriss des Altbaus: Der Verein Solidarische Alternativen für Taucha (SAfT e.V.) hat einen offenen Brief veröffentlicht und auch an alle Stadträte sowie die IBV verschickt. Darin heißt es, die ehemalige DDR-Poliklinik sei als Verwaltungsgebäude der Tauchaer Werke der Hugo Schneider Aktiengesellschaft (kurz HASAG) errichtet worden. „Die HASAG avancierte während des Nationalsozialismus vom Lampenhersteller zu einem großen Produktionsbetrieb für Waffen und andere Rüstungsgüter. Ihr Hauptsitz befand sich auf dem Gelände des heutigen Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig. Die HASAG war eng verflochten mit dem NS-Apparat und wurde sogar zum nationalsozialistischen Vorzeigebetrieb”, schreibt der Verein. In Taucha arbeiteten Tausende Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene im Barackenlager der Mitteldeutschen Motorenwerken (MIMO), das die HASAG übernahm. Das Gelände war Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald.
Für den SAfT e.V. sei „das HASAG-Gebäude ein authentischer Ort in zentraler Lage”. Es stelle an sich ein authentisches, materielles Zeugnis dar, welches Auskunft über die Geschichte geben kann. „Ein Erhalt ist aus unserer Sicht aufgrund der historischen Bedeutung des Gebäudes dringend geboten”, heißt es in dem offenen Brief. Auch aus ökologischer Sicht sei eine Umnutzung des jetziges Gebäudes einem Abriss vorzuziehen. Das Haus könne ein Zentrum für Soziokultur, zivilgesellschaftliche Initiativen und Vereine werden, stellt sich der Verein vor.