In Taucha soll ein neues Ärztehaus entstehen. In diesem Zuge ist der Abriss der Poliklinik vorgesehen und laut städtischer Gesellschaft auch nötig. Gegen den Abriss regte sich Widerstand: Der Verein Solidarische Alternativen für Taucha (SAfT e.V) formulierte einen offenen Brief. Als erste Fraktion nahm jetzt die SPD Taucha Stellung dazu.
Im Oktober stimmt der Stadtrat für die Auslegung des Bebauungsplanes Nr. 65 mit dem Titel „Neubau Ärztehaus und Erweiterung vorhandener Handelsstandort Graßdorfer Straße”. Vorgesehen ist unter anderem, dass die bestehende Poliklinik abgerissen wird und daneben ein modernes Ärztehaus entsteht . Auf die Fläche der jetzigen Poliklinik sollen Stellplätze kommen. Diese seien baurechtlich nötig, um den Neubau errichten zu können. Zudem sei das Bestandsgebäude in einem energetisch und damit ökologisch nicht mehr vertretbaren Zustand, ein Umbau wäre zu teuer und auch wegen aktueller Anforderungen an den Brandschutz und räumlichen Notwendigkeiten für Ärzte nicht umsetzbar, so IBV-Geschäftsführer Gunnar Simon. Der städtischen Gesellschaft gehört die Poliklinik und sie soll auch den Neubau verantworten.
Der Tauchaer Verein SAfT e.V. ist gegen den Abriss. Grund: Das Gebäude sei ein wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur rund um die Zwangsarbeit in Taucha. Es wurde als Betriebsküche und „Gefolgschaftshaus” der Hugo Schneider Aktiengesellschaft (HASAG) genutzt. Die HASAG avancierte in der Zeit des Nationalsozialismus vom Lampenhersteller zum Rüstungsbetrieb. Laut SAfT war die HASAG ein nationalsozialistischer Vorzeigebetrieb. Der Verein schreibt in seinem offenen Brief :
Das HASAG-Gebäude ist ein authentischer Ort in zentraler Lage, anders als etwa das inzwischen denkmalgeschützte ehemalige Verwaltungsgebäude der MIMO mitten im Wald am Rand der Stadt. Im Gegensatz zum Mahnmal und den Stelen am Schöppenteich oder der angedachten Stolperschwelle verweist die Bausubstanz des Gebäudes in der Graßdorfer Straße 13 nicht lediglich auf andere Orte, sondern stellt an sich ein authentisches, materielles Zeugnis dar, welches Auskunft über die Geschichte geben kann. Es ist ein Ort, an dem die nationalsozialistische Vergemeinschaftung der Arbeiter:innen aufgrund antisemitischer und rassistischer Kategorisierungen praktiziert wurde...
Der Verein stellt sich eine Umnutzung der Poliklinik als soziokulturelles Zentrum vor. „Taucha braucht einen festen Ort für Soziokultur, zivilgesellschaftliche Initiativen und Vereine. Dieser kann nicht nur zur Vitalisierung des kulturellen und sozialen Lebens in der Kleinstadt beitragen, sondern auch die „Abhängigkeit“ vom Leipziger Kulturangebot verringern. Taucha muss mehr sein als eine Schlafstadt im Speckgürtel von Leipzig!”, heißt es in dem Brief weiter.
Der offene Brief wurde auch den Stadtratsfraktionen übersandt. Heute meldete sich die SPD Taucha dazu per Pressemitteilung. Darin heißt es unter anderem, dass der aktuell als Ärztehaus genutzte Klinkerbau in der Graßdorfer Straße ist in dem jetzigen Zustand nicht weiterführbar sei. Für den weiter steigenden Bedarf müsse die Stadt insbesondere den Fachärzten Angebote machen. „Mit der gegenwärtigen Baulichkeit ist dies nicht nur nicht möglich, sondern ausgeschlossen. Der Neubau eines Ärztehauses ist daher unumgänglich. Dabei erscheint es uns unerheblich, ob das neue Ärztehaus nicht genau auf der Stelle des alten Ärztehauses errichtet wird oder ob das Grundstück des Altbaus als Parkplatz eines Neubaus umgenutzt wird”, schreiben die Stadträte Christof Heinzerling und Thomas Kreyßig. Zudem stehe im Innenstadtbereich kein Alternativgrundstück für ein neues Ärztehaus inklusive Parkmöglichkeiten zur Verfügung. Eine Umnutzung des bisherigen Gebäudes in einen festen Ort für Soziokultur, zivilgesellschaftliche Initiativen und Vereine sei darum nicht möglich. Der gegenwärtige Zustand des Gebäudes sei derart kritisch, dass auch für diese Zweckbindung erhebliche Investitionen vorgenommen werden müssten, vermuten die Mitglieder der SPD Taucha.
So soll das neue Ärztehaus aussehen.
Zudem korrigierte die SPD eine irrtümliche Annahme des SAfT, wonach das Gebäude ein zentrales, auch mit ideologischer Funktion belegtes Gebäude im Kontext des ehemaligen HASAG-Werkes sei. Vielmehr sei das Gebäude ab 1942 Sitz der Kulturabteilung der HASAG gewesen. Der Hauptsitz befand sich in der Permoserstraße in Leipzig. Der Verein hat die Angaben inzwischen in einer neuen Version des offenen Briefs korrigiert. Die SPD Taucha betont, dass die Korrektur keine Relativierung darstelle. „Wir bitten aber um Eintaktung der HASAG in die Erinnerungskultur in Taucha. Wir sind durchgehend seit 1990 in den Reihen derer zu finden, die in Taucha an 27 Lager erinnern aus einer Zeit, für die es kein Vergeben und Vergessen geben kann. Dem HASAG-Gebäude in der Graßdorfer Straße bei Abwägung mit einem Neubau zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung das von Ihnen benannte Gewicht zu geben, trifft nicht auf unsere Zustimmung”, heißt es in dem Antwortschreiben der SPD an den SAft e.V.
Die SPD sei weiter gesprächsbereit und wolle ihre Auffassung zur Diskussion stellen. Der Verein sei daher - falls dies die Corona-Auflagen erlauben - zur Mitgliederversammlung im Februar eingeladen worden.