In einem Hotel bei Potsdam trafen sich im November einflussreiche AfD-Politiker – darunter der persönliche Referent Alice Weidels – mit Neonazis und potenziellen Geldgebern. Sie entwarfen eine Strategie für die „Remigration“ von Millionen von Ausländern aus Deutschland. Auch Menschen mit deutschem Pass, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, sollen vertrieben werden. Dies hat das gemeinwohlorientierte Medienhaus CORRECTIV recherchiert.
Es ist ein brisantes Thema, das die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren auf Bundesebene neu beleben könnte. Bei einem bislang öffentlich nicht bekannten Treffen haben einflussreiche AfD-Politiker mit dem bekannten Rechtsextremisten Martin Sellner (Identitäre Bewegung Österreich) und privaten Unterstützern über einen Masterplan beraten: Sie wollen Millionen von Menschen aus Deutschland vertreiben, teilt CORRECTIV mit. Eingeladen hatte zu der Zusammenkunft unter anderem der Unternehmer Hans Christian Limmer, heute einer der Eigner der Restaurant-Franchisemarke „Hans im Glück“.
CORRECTIV dokumentierte das Treffen, das im November in einem Hotel bei Potsdam stattfand, vor Ort. Einige Dokumente wurden CORRECTIV auch von Greenpeace zur Verfügung gestellt. In einem Einladungsbrief für die Zusammenkunft, der CORRECTIV vorliegt, heißt es: Bei der Veranstaltung werde ein „Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans“ vorgestellt. Und: Die „Chancen, unser Land wieder auf einen normalen und gesunden Kurs zu bringen“, seien „so groß wie nie zuvor“. Für die Teilnahme werde eine „Mindestspende von 5.000 Euro“ erhoben. Diese Spende solle deutlich machen, dass „die Sammlung von Unterstützungsmitteln eine Kernaufgabe unserer Runde ist“, heißt es in dem von Unternehmer Limmer und dem bekannten Rechtsextremen Gernot Mörig unterschriebenen Brief. In einem weiteren Einladungsschreiben von Mörig heißt es: „Das Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplans wird kein Geringerer als Martin Sellner einleitend vorstellen.“
Kern des Treffen sei ein vorgetragenes rechtsextremes Konzept gewesen, das die AfD offiziell von sich weist: die „Remigration“ auch von deutschen Staatsbürgern mit Zuwanderungsgeschichte. Das beträfe Millionen von Menschen, die aus Deutschland vertrieben werden sollen. Teilnehmer am Treffen erklärten, wie genau sie diese Strategie gemeinsam in die Tat umsetzen wollen, sollte die AfD in Regierungsverantwortung gelangen.
Sellner sagte demnach, man wolle „maßgeschneiderte Gesetze“ erlassen, um einen „hohen Anpassungsdruck“ auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu erzeugen. Umgesetzt werden solle der Plan auch mit Hilfe eines „Musterstaates“ in Nordafrika. In ein solches Gebiet, in dem bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten, wolle man Menschen bewegen. Auch Menschen, die sich in Deutschland für Geflüchtete einsetzen, könnten dorthin, sagte Sellner.
Die anwesenden AfD-Politikerinnen und -Politiker sollen sich während des Treffens mit dem Konzept einverstanden gezeigt haben. So hätte der anwesende AfD-Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalts, Ulrich Siegmund, ergänzt, man müsse in seinem Bundesland dafür sorgen, dass es „für dieses Klientel möglichst unattraktiv zu leben“ werde. Die AfD- Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy sagte, sie verfolge das skizzierte Ziel schon länger und habe bei ihrem Parteieintritt selbst schon ein „Remigrationskonzept mitgebracht“.
Einer der Besucher des Treffens war der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig. Vor allem seine Teilnahme zeige laut CORRECTIV, dass rechtsextremes Gedankengut bis in die Spitze des Bundesverbandes der Partei hineinrage. Hartwig sagte der CORRECTIV-Recherche zufolge bei dem Treffen zu, die inhaltlichen Pläne des Treffens in die Partei zu tragen.
CORRECTIV konfrontierte viele der Teilnehmer zu ihren beim Treffen getroffenen Aussagen. Gernot Mörig, der sich auf die Fragen hin als „alleiniger Veranstalter“ bezeichnete, wies darauf hin, es habe keine Teilnahmebedingung, schon gar nicht in Form einer Spende, gegeben - obwohl es in seiner Einladung anders stand.
Zu dem besprochenen „Remigrationskonzept“ sagte Mörig, er erinnere sich an die Aussagen des Neonazis Sellner anders – denn hätte er sie „bewusst wahrgenommen“, so hätte er sicherlich widersprochen. Ähnlich äußert sich der Unternehmer Limmer. Er weist darauf hin, anders als Mörig nicht Organisator und Planer der Veranstaltung gewesen zu sein. Auch würde er „immer widersprechen“, wenn jemand „deutsche Staatsangehörige als Staatsbürger zweiter Klasse behandeln wollte“.
Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionsvorsitzender Ulrich Siegmund betont in seiner Antwort auf die Fragen, er sei als „Privatperson“ und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen. In seiner Antwort über die Anwaltskanzlei Höcker lässt Siegmund offen, wie er dem Konzept der „Remigration“ gegenüber steht. Er schreibt lediglich, dass er Menschen „nicht gesetzeswidrig ausweisen“ wolle.
Martin Sellner sowie der AfD-Politiker Hartwig und die AfD-Abgeordnete Huy antworteten ebenso wie der AfD-Bundesvorstand bis Redaktionsschluss nicht auf die Fragen.