Im Juni kommenden Jahres findet, wie seit vielen Jahren, eine zehntägige Fahrt der Jahrgangsstufe 7 des Geschwister-Scholl-Gymnasiums statt. Ein Vater eines Schülers sorgt sich angesichts der hohen Kosten um die Bildungsgerechtigkeit und vermisst das Einholen von Gegenangeboten. Zudem hat er Zweifel an der Qualität des Angebots. Die Schulleitung verweist auf den hohen Anmeldestand und jahrelange gute Erfahrungen.
Bournemouth an der Südküste Englands. Direkt am Meer gelegen, laut Wikipedia mit elf Kilometer langen Stränden, einer viktorianischen Architektur, regem Nachtleben, einem Freizeitzentrum mit Hindernisparcour, Kletterwand und Seilrutsche, einem großen Park mit Steingärten, Vogelhaus und Pflanzen von drei Kontinenten. Es gibt wohl schlechtere Orte als Ziel für eine Schulfahrt. Vom 7. bis 16. Juni kommenden Jahres können Schülerinnen und Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Taucha wieder genau das erleben, inklusive viel Englisch-Unterricht.
Dass so eine zehntägige Fahrt viel Geld kostet, leuchtet wohl jedem ein. Auch einem Vater eines Kindes, welches im Tauchaer Gymnasium lernt, ist dies bewusst. Der Vater, der ungenannt bleiben möchte, sorgt sich aber um die Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder. „Wir waren ehrlich gesagt schockiert, als wir den Informationsbrief zur Fahrt erhalten hatten. Über 900 Euro plus Taschengeld kostet die Fahrt pro Schüler. Wir sind dann zur Info-Veranstaltung, um zu erfahren, wie sich diese Kosten zusammensetzen. Leider mussten wir dabei erfahren, dass es keinen Preisvergleich mit anderen Anbietern gab, weil es wohl schon immer gut lief”, erzählt er. Seine Bedenken, dass dieser Preis einen Keil in die Schülerschaft treiben könne und die Eltern vor erhebliche Probleme stelle, sei von der Schulleitung nicht ernst genommen worden. „Es sei ihr klar, aber sie könne das nicht ändern, hieß es. Wir persönlich können uns das leisten, aber ich weiß von einigen Eltern, die sich sehr strecken müssen, damit sie ihrem Kind das ermöglichen können. Eine Mutter sagte, sie könne ihren Jahresurlaub nicht wie geplant durchführen, um ihrem Kind dieses Erlebnis nicht nehmen zu müssen. Denn dessen Freunde fahren ja auch alle”, berichtet der Vater weiter.
Auch um die Qualität der Fahrt sorge er sich: Es seien teilweise bis zu vier Schüler in einer Unterkunft untergebracht. „Welche Sprache werden die da wohl hauptsächlich sprechen?”, fragt der Vater. Auch ein Strandspaziergang sei erwähnt worden. Laut Aussagen der Schule, „um die Zeit zu füllen”.
Korrektur zum Reisepreis Das Reiseunternehmen teilt dies mit: Der Reisepreis pro Schüler liegt bei insgesamt 759 Euro. Dieser Reisepreis setzt sich aus 730 Euro Grundreisepreis zuzüglich 29 Euro Buszusatzkosten und Entertainmentpaket zusammen. Die Zahlung der Buszusatzkosten und Entertainmentpaket erfolgt vor Ort an der Sprachschule in bar (25 britische Pfund). Zudem sei auf Wunsch des Gymnasium eine Reisevollschutzversicherung für alle Schüler gebucht worden. Die Kosten für diese Versicherung betragen zusätzliche 34 Euro pro Person. Inklusive sind Reiserücktritt-Versicherung, Reise-Krankenversicherung inkl. Kranken-Rücktransport, Reisehaftpflicht-Versicherung, Reiseunfall-Versicherung und Reisegepäck-Versicherung. In Summe zahlt jeder Schüler 793 Euro. Dazu gibt es optionale Zusatzaktivitäten. Dies sind Fremdanbieterkosten. Bei Buchung aller Optionen ergibt sich ein Gesamtbetrag von 869 Euro für die Reise. Dies seien Festbeträge, so dass kein zusätzliches Taschengeld benötigt werden, beziehungsweise die Taschengeldausgaben sehr niedrig gehalten werden könnten.
Schulleiterin Kathrin Rentsch versteht die Sorgen, verweist aber darauf, dass eine zehntägige Sprachreise nach England nicht zu vergleichen sei mit einer normalen Klassenfahrt. „Wir haben mit dem Anbieter wirklich über viele Jahre hervorragende Erfahrungen, auch in Corona-Zeiten, wo es um Stornierungen und Rückzahlungen ging. Die Kinder sind über die Zeit sicher in privaten Unterkünften untergebracht und jedes Jahr kehren alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer begeistert und mit vielen Eindrücken zurück. Und ja, auch ein Strandspaziergang gehört da als Erholungskomponente dazu”, sagt sie. Es werde zudem darauf geachtet, dass Englisch gesprochen wird. „Eine 1:1-Unterbringung kann man bei keiner Schülerfahrt gewährleisten. Es gibt solche Angebote von reinen Sprachcamps, die sind aber noch viel teurer”, erklärt Schulleiterin Rentsch weiter und verweist auf den hohen Anmeldestand: „Wir haben rund 120 Schülerinnen und Schüler in derJahrgangsstufe 7. Etwa 100 sind jetzt angemeldet, im Vorjahr waren es 56. Dieses Interesse zeigt uns, dass wir hier alles richtig machen, wenn wir an unserem sehr zuverlässigen Anbieter festhalten”, sagt sie weiter.
Für den erwähnten Vater ist das kein Argument. „Natürlich ist das Interesse hoch, aber die Kosten bringen die Familien dennoch in Schwierigkeiten. Man setzt hier ein völlig falsches Zeichen. Und es ist auch nicht gerade ein starkes Argument, wenn man sagt, wir machen das schon immer so. Das heißt ja nicht, dass es bei einem anderen Anbieter nicht genau so gut klappt”, meint er.
Clemens Arndt, Pressesprecher beim Landesamt für Schule und Bildung (LASUB) in Leipzig, erklärt, dass solche Schulfahrten nicht über ein öffentliches Vergabeverfahren laufen müssen. „Hier spielen tatsächlich die Erfahrungen der Schule mit den Anbietern und eine sichere Unterbringung der Kinder eine große Rolle. Die Kosten sind immer ein Problem, letztlich steht es den Eltern aber frei, über die Jobcenter Leistungen zu beantragen”, rät er.
Bestätigt wird dies von der Pressestelle des Jobcenters Nordsachsen. Voraussetzungen für den Anspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen sei der Bezug von Bürgergeld, Sozialhilfe, Wohngeld oder Kinderzuschlag. Sofern Bürgergeld bezogen werde, dürfte bereits eine grundsätzliche Bewilligung der Kostenübernahme vorliegen. Wer noch kein Leistungsempfänger sei, könne einen Antrag stellen. Für den Grundantrag seien aber umfangreiche Unterlagen notwendig, etwa der Mietvertrag oder die Kosten des Eigenheims. Zudem müssten die kompletten Einkommens- und Vermögensverhältnisse offengelegt werden. Starre Einkommensgrenzen gebe es für den Leistungsanspruch nicht, sondern es werde immer nach dem individuellen Bedarf geschaut. Die Prüfung des Anspruchs könne sich durchaus lohnen - nicht von allen Anspruchsberechtigten würden die Leistungen für Bildung und Teilhabe abgerufen, so das Jobcenter. Bestätigt sich der Anspruch, werden die Kosten für eine solche Fahrt in voller Höhe übernommen, sofern es sich um eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handele. Nicht übernommen werde das Taschengeld für zusätzliche Ausgaben.
Dem Vater des Kindes nützt dies wenig: „Ich weiß, dass wir und viele andere eben nicht anspruchsberechtigt sind. Um genau diese Eltern geht es mir. Darum hätte ich mir zumindest einen Preisvergleich gewünscht. So viel Demut muss man doch haben”, sagt er.
Busfahrt und Unterkünfte sind Preistreiber Anbieter der Fahrt ist das Unternehmen Panke Sprachreisen aus der Gemeinde Timmendorfer Strand in Schleswig-Holstein. Amira Gasmi, Teamleiterin für die Schulfahrten verweist auf Anfrage von Taucha kompakt auf das große Programm, das den Schülern während der zehntägigen Reise geboten wird: „Es gibt einen Ganztagesausflug nach London und eine ganztägige Südküstentour sowie mehrere Halbtagesausflüge, etwa nach Stonehenge, Portland oder Portsmouth. Immer dabei ist eine englischsprachige Reiseleitung, es wird faktisch ständig englisch gesprochen. Auch Disco und Karaoke werden angeboten”, zählt sie auf. Eine Besonderheit bei den Premium-Reisen sei: „Die Schülerinnen und Schüler sowie die Betreuungskräfte werden täglich bis zu viermal mit dem Reisebus in der Nähe Ihrer Unterkünfte auf einer Einsammeltour abgeholt und abgesetzt. Dieses ist gerade abends nicht nur sicherer als mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern auch sehr viel bequemer. Am Ankunftstag holen zudem alle Gastgeber Ihre Gäste mit dem Gepäck direkt am Bus ab und bringen sie auch am Abfahrtstag wieder dorthin”, so Amira Gasmi. Die Cavendish School of English in Bournemouth. Foto: Panke Sprachreisen Die Fahrt nach England werde vom Geschwister-Scholl-Gymnasium seit 2010 als Sprachreise gebucht. „Das heißt, es gibt auch Sprachunterricht. Insgesamt 24 Unterrichtsstunden á 40 Minuten an unserer zertifizierten Cavendish School of English. In jeder Klasse sind maximal 18 Schüler, was auch zeigt, wie viele Lehrkräfte es dafür braucht. Vorher gibt es einen Online-Einstufungstest, um die Gruppen entsprechend zusammenzustellen”, erzählt Amira Gasmi weiter. Lernziele seien der Aufbau und Erweiterung der Kommunikationsfähigkeit, Erweiterung des Wortschatzes sowie die Erweiterung des Hör- und Leseverstehens. Daneben gebe es eine gruppenbezogene Vertiefung der Grammatik. Die Schüler erhalten ein Abschluss-Zertifikat und ein Zeugnis. Als größten Kostentreiber nennt sie die Fixkosten für die Anmietung des Reisebusses. „Wir arbeiten mit Unternehmen aus Deutschland. Dazu kommt aber auch, dass die Lebenshaltungskosten in Großbritannien stark gestiegen sind. Die privaten Gastgeber verlangen also letztlich mehr”, sagt sie. Generell sei es schwer, überhaupt Gastgeber zu finden. Während der Corona-Pandemie sei ein ganzer Markt weggebrochen, viele Anbieter würden ihre Unterkünfte nun über airbnb vermarkten. „Das erklärt, warum wir bis zu vier Schüler in einer Unterkunft unterbringen. Gastfamilien sind fast nicht mehr zu finden, darum mieten wir private Gastunterkünfte, in denen die Schüler gleichgeschlechtlich untergebracht sind, sowie Nachts beaufsichtigt werden, um die Lehrer zu entlasten”, erläutert sie weiter.