Der Kauf des kleinen Nahversorgungszentrums an der Klebendorfer Straße durch die REWE-Gruppe erhitzt weiter die Gemüter in Taucha. Es scheint, als sei die öffentliche Meinung, die Stadt Taucha lasse die Gewerbetreibenden im Stich und wolle auf Teufel komm raus einen großen REWE-Markt lieber als ein Einkaufszentrum mit kleinteiligem Gewerbe. Doch das stimmt so nicht.
„Wie kommt man überhaupt auf die Idee das bebaute Grundstück an REWE zu verkaufen?”, „Warum lässt man das zu?”, „Muss denn überhaupt abgerissen werden?”, „Der Stadt geht es eher um Neuansiedlungen als um Bestandsschutz”, „Die Stadt Taucha hätte doch auch kaufen können”. - Fragen, Meinungen und Vorwürfe gibt es viele zur von der REWE-Gruppe geplanten Neuansiedlung, von der seit kurzem bekannt ist, dass sie den Abriss der bestehenden Verkaufsräume an der Klebendorfer Straße 1 erfordert. Vieles ist von Hörensagen und leider auch Unwissen geprägt. Um etwas Sachlichkeit in die Angelegenheit zu bringen, kommt hier der Versuch einer leicht verständlichen Aufarbeitung, die teils subjektiv ist.
Nein, hätte sie nicht. Zwar gibt es gesetzliche Vorkaufsrechte für eine Kommune. Dass diese das Vorkaufsrecht auch ausüben kann, ist aber an Bedingungen geknüpft. „Eigentlich gibt es nur zwei Hauptanwendungsfälle: Das Bau-Gesetzbuch und das Denkmalschutzgesetz”, sagt Georg Hoyer, der im Rathaus für die bauordnungsrechtlichen Belange zuständig ist. Während der Fall des Denkmalschutzes recht selten auftaucht, geht es bei Paragraph 24 des Bau-Gesetzbuches um Grundstücke, für die eine öffentliche Nutzung festgesetzt ist. „Das betrifft beispielsweise Straßen oder auch Anlagen für den Hochwasserschutz. Ebenso kann eine Stadt das Vorkaufsrecht ausüben, wenn Baulücken nicht für eine Wohnbebauung genutzt werden, diese Lückenbebauung aber dringend erforderlich ist. All das trifft hier nicht zu, denn es existiert ein Bebauungsplan, der uns als Stadtverwaltung nicht das Recht gibt, das Vorkaufsrecht auszuüben”, erklärt Hoyer weiter. Zudem stehe es einer Stadtverwaltung nicht zu, Sondergebiete für den Einzelhandel zu erwerben.
Der Verkauf des Grundstücks und der Gebäude ist ein normaler zivilrechtlicher Vorgang. Es gibt einen Kaufvertrag zwischen zwei Unternehmen. Weder das Gelände noch die Verkaufsräume gehören der Stadtverwaltung. Die Einflussnahme ist hier also gleich Null.
Das entscheidet der neue Eigentümer. Wie es übrigens auch dem bisherigen Eigentümer frei gestanden hätte, das Center nach seinen Vorstellungen umzubauen. Laut Stadtverwaltung gebe es keine rechtlichen Möglichkeiten, einen Abriss der Bestandsbauten zu verweigern. Nach Aussagen seitens REWE beziehungsweise einem in Taucha ansässigen Immobilienprojektentwickler, der für REWE arbeitet, eignen sich die vorhandenen Räumlichkeiten nicht, um hier einen modernen Supermarkt zu etablieren. Schon allein wegen der Größe des geplanten REWE-Marktes: Mit 1950 Quadratmetern soll der Markt rund 790 Quadratmeter größer werden als der ehemalige Konsum .
Natürlich können die Stadtverwaltung und auch die Stadträte ihre Meinung dazu haben. Jochen Möller von der FDP-Fraktion im Stadtrat meint beispielsweise: „Man sollte mal in Frage stellen, ob das Zentrum wirklich abgerissen und neu gebaut werden muss. Hier wird Modernität mit Größe verwechselt. Ich glaube nicht daran, dass für ein qualitatives Einkaufen die Verdoppelung der Verkaufsfläche sein muss. Im Konsum gab es damals sehr breite Gänge und ich habe alles bekommen, was ich brauchte”, so Möller. Er hält das Abrissvorhaben für unvernünftig. Stattdessen sollte ein Umbau des Centers geplant werden. Das letzte Wort hat aber der Eigentümer.
Kommunikativ hätte es wohl besser laufen können. Zum einen auf der Seite der Stadt Taucha. Diese hat durch ihr faktisch bestehendes Vorkaufsrecht (das in diesem Fall aber nicht ausgeübt werden konnte) frühzeitig von dem Verkauf des Objektes gewusst. Dennoch obliegt es sicher nicht einer Stadtverwaltung, sich in die bilateralen Beziehungen zwischen Eigentümer bzw. Vermieter und Gewerbemieter einzumischen. Spätestens vor der Stadtratssitzung, also bevor Beschlüsse gefasst werden, hätte man durchaus als Stadt auf die Gewerbesteuerzahler zugehen und ihnen die Sachlage erklären können. Das hätte den emotionalen Auftritt während der Stadtratssitzung und so manches Unverständnis verhindert.
Zum anderen hätte REWE durchaus auch kommunikativer auftreten können. Woher bereits Kunden im Januar von dem drohenden Abriss des Areals gewusst haben wollen, ist nicht bekannt. Natürlich wirkte es für die bestehenden Mieter dann bis Februar wie eine halbe Ewigkeit, bis REWE das Info-Schreiben über den Eigentümerwechsel versandt hatte. Allerdings muss man die Mechanismen eines solchen Konzerns auch verstehen. Zuerst mussten Behörden informiert und Pläne erarbeitet werden. Am heutigen 15. März teilte die REWE-Pressestelle mit: „Sobald im Zuge des Austauschs mit den Behörden eine Planungsgrundlage gefunden ist, haben wir eine Basis für die individuellen Gespräche mit den Bestandsmieter:innen. Wir streben an, die Termine zeitnah zu vereinbaren und bis Mitte des Jahres mit allen ein persönliches Gespräch geführt zu haben”, schreibt Stephanie Behrens, Leiterin der Pressestelle Region Ost. REWE habe das „Einkaufsareal an der Klebendorfer Straße in Taucha mit dem Ziel erworben, es zeitgemäßer zu gestalten und damit fit für die Zukunft zu machen. Die Ansiedlung eines REWE-Marktes ist eine der dazugehörigen Maßnahmen, weitere Unternehmen sollen als Mieter auch künftig ihren Platz haben”, heißt es weiter. Auch ist von „Lösungsoptionen der bestehenden Mieter für die Zukunft” die Rede. Die jüngst erfolgte Einleitung des Änderungsverfahrens und die Zustimmung zum Auslegungsbeschluss seien erste Schritte auf dem Weg zu einem modernen Einkaufsareal für Taucha.
Das Gegenteil ist der Fall. Wie ausgeführt sind die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Stadtverwaltung äußerst gering. Ihr gehört weder das Grundstück, noch kann sie bestimmen, was mit den Bestandsmietern passiert. Auch gibt es keinen Bestandsschutz im Gewerbemietrecht. Der Eigentümer kann also jederzeit Mietern kündigen und das Center umbauen. Generell spielt sich also alles im Zivilrecht ab.
Die einzige Einflussnahme der Stadtverwaltung Taucha liegt im Planungsrecht. Und genau das übt die Stadt aus. Mit dem Änderungsverfahren des Bebauungsplanes, der rechtlich nötig geworden ist , gliedert sie das Einzelhandelsgebiet aus dem Bebauungsplan aus und gibt so auch den Trägern öffentlicher Belange (wie IHK, Landratsamt, Landesdirektion) und anderen die Gelegenheit zur Stellungnahme. Zugleich sei eine Absichtserklärung vereinbart worden. In dieser sei festgehalten, dass etwa 500 Quadratmeter (diese Zahl ist nicht fix, kann sich also auch nach oben ändern) für weitere Mieter reserviert werden. Diese Absichtserklärung sei Bestandteil des Verfahrens und die Stadt hätte „weiterhin das Heft in der Hand”, sag Maritta Mandry vom Fachbereich Bauwesen. Heißt also: Der Stadtverwaltung ist keineswegs egal, was mit den vorhandenen Mietern passiert und möchte unbedingt den Nahversorgungscharakter des Centers erhalten. Generell hätte es der Stadtverwaltung auch „egal” sein können.
Das Recht hat jeder. Von solchen Äußerungen oder gar gemeinschaftlichen Bekenntnissen, wie sie aktuell in Taucha formuliert werden, lässt sich ein Handelskonzern aber nicht beeindrucken. Sortiment, Auswahl und der Preis bestimmen die Nachfrage. Und die ist zweifelsohne vorhanden. Letztlich wird der Markt angenommen werden.
Davon ist nicht auszugehen. Netto und REWE sind grundverschieden. Netto ist ein Discounter, REWE ein Vollsortimenter. Beide haben unterschiedliche Zielgruppen. Dass so etwas gut funktioniert, hat man unter anderem gesehen, als der Konsum noch in der Klebendorfer Straße ansässig war. Beide Märkte konnten bestehen. Und beispielsweise funktioniert das Nebeneinander von REWE und Netto in Borsdorf seit vielen Jahren sehr gut. Es ist sogar davon auszugehen, dass sich beide Märkte gegenseitig befruchten.